Welche Maße du wirklich brauchst – nicht nur für die Größe, sondern auch für die richtige Passform
Bevor ich Schnittkonstruktion gelernt habe, hatte ich keine Ahnung, was Maße wirklich bedeuten.
Ich habe genäht, weil ich Freude daran hatte. Aber ich wusste nicht, worauf es ankommt, wenn ein Kleidungsstück wirklich sitzen soll. Ich habe nach Gefühl entschieden, welche Größe ich nehme. Ich habe das Maßband nur benutzt, wenn es in der Anleitung stand. Ich habe geglaubt, der Schnitt passt schon. Und wenn nicht, lag es eben am Schnitt. Heute weiß ich, dass das nicht stimmt.
Die Konfektionsgröße allein sagt fast nichts aus. Es geht nicht nur darum, wie breit oder lang etwas ist. Es geht darum, wie dein Körper gebaut ist. Deshalb ist Maßnehmen nicht nur ein Schritt vor dem Zuschneiden. Es ist die Grundlage für alles, was danach kommt, auch für Anpassungen.
Du brauchst mehr als nur den Brustumfang
Viele Schnittmuster geben nur drei Maße an.
Brustumfang, Taillenumfang und Hüftumfang.
Aber wenn du ein wirklich gut sitzendes Oberteil nähen möchtest musst du es an deine Maße anpassen und genau dann brauchst du mehr als das was in der Maßtabelle eines Schnittmusters steht.
Du brauchst Maße, die zeigen, wo dein Körper vom “Standard” abweicht. Du brauchst Längen, du brauchst Breiten und Umfänge die nicht in der Maßtabelle stehe.
In diesem Blogbeitrag zeige dir jetzt die wichtigsten Maße am Oberkörper, die du kennen solltest, um ein Schnittmuster an deine Maße anzupassen
Dieser Blogbeitrag ist Teil einer drei teiligen Serie, in der meine lieben Kolleginnen Eva von Dein Schnittmuster und Simone von Seamone dir viele weitere wertvolle Informationen für Oberteilschnittmuster und das Anpassen an deinen Körper geben.
Die komplette Blog-Serie
Perfekt sitzende Oberteile sind kein Zufall, sie sind das Ergebnis der richtigen Anpassungen! Gemeinsam mit zwei Expertinnen zeigen wir dir in einer 3-teiligen Blog-Serie, was du für maßgeschneiderte Passform benötigst. Von der richtigen Vermessung über das Erkennen von Passformfehlern bis hin zur praktischen Umsetzung einer FBA/SBA-Anpassung.
Die komplette Blog-Serie: 3 Expertinnen, 3 Schritte zum perfekt sitzenden Oberteil
📏 Teil 1: Richtig vermessen
Kristin Kahmeier von PiexSu Schnittdirektrice aus der Schweiz
Ich entwickle seit 2016 Schnittmuster, die wirklich passen. In meinem Artikel zeige ich dir, wie du dich richtig vermisst und deine Maße korrekt interpretierst.
🔍 Teil 2: Passformfehler erkennen
Eva Küpper von dein-schnittmuster.de Staatlich geprüfte Bekleidungstechnische Assistentin
Eva bringt Berufserfahrung von M. Müller & Sohn mit und begleitet seit 2018 Frauen zu passgenauer Kleidung. Sie erklärt dir, wie du an der Faltenbildung erkennst, ob und welche Anpassung du brauchst.
→ Zu Evas Artikel "Schnittmuster anpassen – 6 Passformoptimierungen für Kleider und Oberteile."
✂️ Teil 3: Praktische Anpassung
Simone Borchers von seamone.de Studierte Textil- und Bekleidungstechnikerin
Simone entwicklt seit 2015 technisch durchdachte Schnittmuster, die digitale Präzision mit zeitlosem Design verbinden. Sie zeigt dir Schritt für Schritt, wie du FBA und SBA an konkreten SEAMONE-Schnittmustern durchführst.
→ Zu Simones Artikel: "FBA und SBA: So passt du deine Schnittmuster perfekt an deine Brust an"
Wichtige Maße für Damenoberteile
Einige dieser Maße helfen dir, eine Konfektionsgröße auszuwählen oder die richtige Ausgangsbasis für dein Schnittmuster zu finden, andere wiederrum benötigst du für die Anpassung eines Schnittmusters auf deinen individuellen Körper.
Brustumfang
Das ist das Maß, das in fast jedem Schnittmuster die Hauptgröße vorgibt, aber es ist nicht alles.
Wo messen: Waagrecht über die stärkste Stelle der Brust, also direkt über die Brustspitzen. Das muss nicht immer zwingend auch deine Brustwarze sein.
Wofür wichtig: Basismaß zur Auswahl der Schnittgröße. Gibt an, wie viel Platz du im Vorderteil brauchst.
Tipp: Nur aussagekräftig in Kombination mit dem Oberbrustumfang. Bei großen Brüsten kann die Größe laut Brustumfang zu weit im Rücken sein.
Oberbrustumfang
Der Oberbrustumfang zeigt, wie dein Oberkörper über der Brust gebaut ist, unabhängig vom eigentlichen Brustvolumen.
Wo messen: Oberhalb der Brust, unter den Achseln hindurch, waagrecht um den Oberkörper. Das Maßband verläuft knapp unterhalb der Schultern und liegt flach an.
Wofür wichtig: Zur Beurteilung des Brustvolumens im Verhältnis zur Körperbreite. Entscheidend für Anpassungen wie FBA (Full Bust Adjustment) oder SBA (Small Bust Adjustment).
Tipp: Wenn der Unterschied zwischen Brust- und Oberbrustumfang mehr als 5 cm beträgt, reicht es meist nicht, nur nach Brustumfang die Größe zu wählen.
Du willst nicht allein messen, nähen, anpassen? Ich bin an deiner Seite
Wenn du dir beim Maßnehmen noch unsicher bist oder Unterstützung beim Anpassen brauchst, dann komm gerne in einen meiner Näh-mit-mir-Kurse oder werde Teil vom KreativCicurl. Dort nähen wir nicht einfach nur gemeinsam, sondern ich helfe dir bei jedem Schritt. Wir nehmen die Maße, schauen gemeinsam auf die Schnittmuster, sprechen über Passform und Größenwahl. Und wenn etwas nicht sitzt, dann finden wir zusammen heraus, woran es liegt und wie du es ändern kannst.
Viele Teilnehmer sagen mir, dass sie erst im Kurs wirklich verstanden haben, wie sehr gute Vorbereitung die Nähfreude steigert. Und wie entspannt es ist, wenn man jemanden hat, der mit draufschaut. Genau dafür bin ich da.
Unterbrustumfang
Wird oft unterschätzt, ist aber sehr aufschlussreich, gerade bei körpernahen Schnitten oder BHs.
Wo messen: Direkt unterhalb der Brust, waagrecht um den Oberkörper.
Wofür wichtig: Gibt Aufschluss über die Form des Brustkorbs und hilft bei der Beurteilung von Abnähern, Bustier- oder BH-Oberteilen.
Tipp: Dieser Wert hilft dir, Schnittteile zu stabilisieren – besonders unterhalb der Brust.
Taillenumfang
Das Maß deiner Körpermitte.
Wo messen: An der schmalsten Stelle deines Rumpfes, oft eine Handbreit über dem Bauchnabel. Als Hilfestellung zum Finden, lasse den Arm locker hängen, winkle ihn dann an: Dort wor dein Ellenbogen liegt ist in der Regel der Taillenumfang.
Wofür wichtig: Entscheidend für die Taillenposition im Schnitt. Relevant für Formnähte, Abnäher und Teilungsnähte.
Tipp: Miss im entspannten Zustand. Zieh nichts ein. Trage enge Kleidung oder Unterwäsche.
Brustlänge
Ein Maß, das darüber entscheidet, ob die Brustabnäher überhaupt dort sitzen, wo sie hingehören.
Wo messen: Vom höchsten Schulterpunkt bis zur Brustspitze.
Wofür wichtig: Um die Position von Brustabnähern oder Cup-Linien im Schnitt anzupassen.
Tipp: Bei hoher oder tiefer Brust weicht dieses Maß oft stark vom Standard ab. Ein falscher Abnäherpunkt zerstört die ganze Optik.
Vordere Länge
Die gesamte vordere Oberkörperlänge – wichtig, wenn das Oberteil vorn zu kurz wirkt oder hochrutscht.
Wo messen: Vom höchsten Schulterpunkt über die Brustspitze bis zur Taille.
Wofür wichtig: Kontrollmaß für die vertikale Balance. Nötig für Längenanpassung im Vorderteil.
Tipp: Wenn du ein Hohlkreuz hast oder große Brüste, ist dieses Maß besonders wichtig.
Rückenbreite
Oft unterschätzt, aber verantwortlich für ein gutes Rückenteil ohne Falten.
Wo messen: Waagrecht über den Rücken, von Hautfalte zu Hautfalte (bei hängenden Armen).
Wofür wichtig: Um Rückenschnittteile anzupassen. Besonders bei Spannungen oder Falten im Schulterbereich.
Tipp: Die Messhöhe liegt ca. bei drei Viertel der Achsellänge. Lass dir am besten helfen, da du den Rücken selbst schwer richtig messen kannst.
Vorderbreite
Zeigt, wie breit dein Oberkörper im Brustbereich tatsächlich ist – nicht nur, wie groß die Brust ist.
Wo messen: Waagrecht über die Brustspitzen, von Armvortrittslinie zu Armvortrittslinie.
Wofür wichtig: Gibt Hinweise, ob du an der Brust wirklich Mehrweite brauchst oder ob die Breite dort gut verteilt ist.
Tipp: Wenn das Vorderteil Falten schlägt oder spannt, ist dieses Maß oft der Schlüssel.
Obere Vorderbreite
Ein Kontrollmaß für alles oberhalb der Brust – gerade bei Ausschnittanpassungen oder wenn dir Oberteile „obenrum“ oft zu weit oder zu eng sind.
Wo messen: Waagrecht oberhalb der Brust, von Hautfalte zu Hautfalte.
Wofür wichtig: Hilft beim Anpassen des oberen Vorderteils, etwa bei tiefer oder flacher Brust oder breiten Schultern.
Tipp: Zeigt auch, ob der Ausschnitt zu eng ist oder absteht.
Schulterlänge
Entscheidet, ob die Schulternaht richtig sitzt oder überhängt.
Wo messen: Von Halsansatz zum Akromionpunkt, also bis zum Schulterknochen.
Wofür wichtig: Hilft beim ermitteln der Richtigen Länge der Schulternaht.
Tipp: Wenn Schulternähte überhängen und das Armloch nicht am Schulterknocken beginnt, ist dieses Maß oft die Ursache.
Armlänge
Dieses Maß bestimmt, ob dein Ärmel lang genug ist und ggf. verlängert oder gekürzt werden sollte.
Wo messen: Vom Schulterpunkt über den angewinkelten Ellenbogen bis zur Handwurzel (also dort, wo die Hand beginnt).
Wofür wichtig: Zur Bestimmung der Ärmellänge bei langen Ärmeln, Jacken, Blusen oder Pullovern. Auch bei dreiviertellangen Ärmeln ist dieses Maß die Ausgangsbasis.
Tipp: Miss bei angewinkelter Armhaltung, nicht durchgestreckt. Ein zu kurz geratener Ärmel ist nicht nur unbequem, sondern wirkt auch optisch unausgewogen.
Oberarmumfang
Eines der wichtigsten Maße für die Beweglichkeit und Bequemlichkeit im Ärmel.
Wo messen: Um die stärkste Stelle des Oberarms, meist beim angewinkelten Arm. Das Maßband liegt eng an, ohne einzuschneiden.
Wofür wichtig: Entscheidend für die Weite des Ärmels, vor allem bei schmalen Schnitten oder festen Stoffen ohne Dehnung.
Tipp: Dieses Maß wird oft unterschätzt. Wenn dein Ärmel beim Tragen spannt oder einschneidet, ist das fast immer der Grund. Plane ausreichend Bequemlichkeitszugabe ein – ca. 2 bis 6 cm über dem Oberarmumfang, je nach Stoff und gewünschtem Sitz.
Handgelenkumfang
Klein, aber wichtig – vor allem bei Ärmeln mit Bündchen, Manschetten oder engen Abschlüssen.
Wo messen: Direkt um das Handgelenk, knapp unterhalb des Gelenkknochens.
Wofür wichtig: Für die Konstruktion von Manschetten, Bündchen oder eng abschließenden Ärmeln. Auch bei langärmeligen Unterziehteilen sehr relevant.
Tipp: Wenn du einen elastischen Abschluss planst, darf das Maß eng genommen werden. Bei gewebten Stoffen musst du genügend Spielraum einplanen, damit du bequem durch den Ärmel kommst.
💡 Übrigens: Dieser Artikel ist Teil einer 3-teiligen Expertinnen-Serie
Falls du dir unsicher bist bei den Grundlagen, haben zwei Kolleginnen und ich das Thema “Perfekte Passform” komplett aufgearbeitet:
- 📏 Hier: Richtig Maßnehmen für Oberteile
- 🔍 Eva Küpper (dein-schnittmuster.de): Schnittmuster anpassen – 6 Passformoptimierungen für Kleider und Oberteile.
- ✂️ Simone Borchers (seamone): FBA und SBA: So passt du deine Schnittmuster perfekt an deine Brust an
Die drei Artikel ergänzen sich perfekt und geben dir alles mit, was du für perfekt sitzende Oberteile brauchst!
Warum du das alles brauchst
Wenn du ein Oberteil nähst und dich fragst, warum es an den Schultern absteht oder über der Brust spannt, dann helfen dir diese Maße. Du erkennst, wo du mehr Länge brauchst. Wo du die Breite verändern musst. Und wo du Winkel oder Positionen im Schnitt anpassen kannst.
Du musst kein Profi sein, um damit zu arbeiten. Aber du solltest wissen, wo du hinschauen musst. Und das fängt beim Maßnehmen an.
Mein Tipp: Erstelle dein eigenes Maßblatt
Notiere dir alle Maße regelmäßig. Halte fest, wie sie sich verändern. Miss lieber einmal zu viel als zu wenig. Ergänze deine Liste mit Kommentaren wie: „Schulter immer zu breit in Größe 38“ oder „Brustpunkt sitzt zu hoch“. So lernst du nicht nur deinen Körper kennen, sondern auch, wie du mit Schnitten umgehen kannst.
Fazit
Richtig Maßnehmen für Damen-Oberteile heißt nicht nur, einmal mit dem Maßband um die Brust zu gehen. Es heißt, deinen Körper als Ganzes zu sehen. Die Längen. Die Breiten. Die Abstände. Es heißt, zu verstehen, warum ein Teil nicht sitzt. Und was du tun kannst, damit es passt.
Wenn du deine Maße kennst, kannst du so gut wie jeden Schnitte an deinen Körper anpassen und so Kleidung nähen die zu dir passt.

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Wenn du noch Fragen hast, dann schreibe sie mir gerne in die Kommentare. Ich helfe dir gerne weiter!



2 Antworten
Die Problematik mit den Schnittmustern 🤦. Deswegen bin ich mittlerweile davon überzeugt, dass Anpassungen erforderlich sind.
Die selbstgenähte Kleidung soll ja schließlich zu einem passen.
L. G. Barbara
Hallo Barbara
Genau das ist der Punkt dieser Blogserie.
Schnittmuster werden immer nach Standardmaßen konstruiert und diesen Maßen entspricht niemand zu 100% aus diesem Grund ist es immer wichtig nicht nur die Größe nach dem einen Maß auszuwählen sondern auch figurbedingte Anpassungen vorzunehmen, sollten sie notwendig sein.
LG
Kristin