Wenn Du schon einmal ein Schnittmuster von mir genäht hast, ist Dir bestimmt aufgefallen, dass keine Nahtzugabe enthalten ist. Vielleicht hast Du Dich gefragt: „Warum eigentlich nicht? Wäre das nicht viel praktischer?“ Ich kann Dir sagen: Nein, das wäre es nicht – zumindest nicht, wenn Du ein Kleidungsstück nähen möchtest, das wirklich gut passt.
Denn hier kommt die Wahrheit: Niemand entspricht zu 100 % den Standardmaßen, nach denen Schnittmuster konstruiert werden. Selbst wenn Du eine bestimmte Größe hast, kann es sein, dass Deine Schultern etwas schmaler sind, Deine Taille ein bisschen höher sitzt oder Deine Hüften eine andere Rundung haben als das, was das Schnittmuster vorgibt.
Genau deshalb enthalte ich in meinen Schnittmustern keine Nahtzugabe. Und warum das ein echter Vorteil für Dich ist, erkläre ich Dir in diesem Blogbeitrag.
1. Standardmaße sind nur eine Richtlinie – Dein Körper ist einzigartig
Schnittmuster werden immer nach bestimmten Standardmaßen erstellt. Diese basieren auf Durchschnittswerten, aber mal ehrlich – wer hat schon genau den „Durchschnittskörper“? Kaum jemand. Die Wahrscheinlichkeit ist groß, dass Dein Körper an bestimmten Stellen kürzer oder länger, schmaler oder breiter ist als die Maße eines Schnittmusters.
Und genau hier kommt die individuelle Anpassung ins Spiel. Bevor Du einfach blind mit dem Nähen loslegst, solltest Du das Schnittmuster an Deine eigenen Maße anpassen. Wenn jetzt schon eine feste Nahtzugabe enthalten wäre, würde das die Anpassung unnötig erschweren.
Ohne Nahtzugabe kannst Du viel präziser arbeiten: Du kannst das Schnittmuster direkt auf Deine Körpermaße abstimmen, anpassen und dann die Nahtzugabe in der Breite hinzufügen, die für Dich am besten funktioniert.
2. Jeder näht anders – die perfekte Nahtzugabe gibt es nicht
Es gibt nicht die eine richtige Nahtzugabe – sie ist von vielen Faktoren abhängig:
- Welche Nähmaschine nutzt Du? Eine Overlock braucht meistens eine schmalere Nahtzugabe (z. B. 0,75 cm), während man an einer normalen Nähmaschine oft mit 1 cm oder sogar 1,5 cm arbeitet.
- Wie nähst Du am liebsten? Manche nähen gerne nähfüßchenbreit, andere orientieren sich an Markierungen auf der Stichplatte.
- Welches Material verwendest Du? Gerade bei dehnbaren Stoffen kann eine zu breite Nahtzugabe das Ergebnis unschön machen.
Mit einer festen, vorgegebenen Nahtzugabe wäre das alles nicht so flexibel anpassbar. Ohne Nahtzugabe kannst Du selbst bestimmen, welche Breite für Dich am besten passt.
3. Achtung: Nahtzugabe ist nicht zum Vergrößern oder Verkleinern da!
Ein ganz häufiger Fehler ist, dass man ein Schnittmuster vergrößert oder verkleinert, indem man einfach eine größere oder kleinere Nahtzugabe verwendet. Das funktioniert leider nicht!
Warum? Ganz einfach:
- Ein Schnittmuster ist so konstruiert, dass die Nahtlinie die eigentliche Passform vorgibt.
- Wenn Du eine breitere Nahtzugabe verwendest, wird das Kleidungsstück insgesamt kleiner, aber nicht proportional – das kann dazu führen, dass es an einer Stelle zu eng ist und an einer anderen zu weit.
- Wenn Du eine schmalere Nahtzugabe wählst, wird das Kleidungsstück größer, aber ebenfalls nicht in der richtigen Proportion.
Die richtige Methode, um ein Schnittmuster anzupassen, ist das Verändern der Schnittlinien – nicht das Spielen mit der Nahtzugabe. Deshalb ist es so wichtig, dass Du auf der Nahtlinie nähst, die das Schnittmuster vorgibt. Die Nahtzugabe ist nur ein „Puffer“ drumherum und sollte nicht zur Größenanpassung genutzt werden.
4. So fügst Du die Nahtzugabe richtig hinzu
Wenn Du Dein Schnittmuster angepasst hast, kommt der nächste Schritt: die Nahtzugabe hinzufügen. Hier sind einige Tipps, wie Du das am besten machst:
- Zeichne die Nahtzugabe mit einem Geodreieck oder einem speziellen Nahtzugaben-Lineal gleichmäßig um das Schnittmuster herum.
- Wenn Du gerne mit der Overlock nähst, wähle eine schmalere Nahtzugabe, z. B. 0,75 cm.
- Wenn Du mit der normalen Nähmaschine nähst, ist 1 cm bis 1,5 cm eine gute Wahl.
- Markiere Dir die Nahtlinien auf dem Stoff mit Schneiderkreide oder einem Trickmarker, wenn Du gerne genau arbeitest.
Das Hinzufügen der Nahtzugabe ist wirklich nur ein kleiner zusätzlicher Schritt – aber er gibt Dir viel mehr Flexibilität und die Möglichkeit, Dein genähtes Stück perfekt auf Dich zuzuschneiden.

Fazit: Mehr Kontrolle über Deine Passform!
Dass meine Schnittmuster keine Nahtzugabe enthalten, ist also kein Nachteil – im Gegenteil! Es gibt Dir:
✅ Mehr Kontrolle über die Passform, weil Du Dein Schnittmuster besser anpassen kannst.
✅ Die Möglichkeit, die für Dich perfekte Nahtzugabe zu wählen, abhängig von Deiner Nähmaschine und Deinen Vorlieben.
✅ Eine sauberere Passform, weil die Nahtlinie erhalten bleibt und das Schnittmuster nicht durch eine falsche Nahtzugabe verzerrt wird.
Ja, es bedeutet einen kleinen zusätzlichen Schritt für Dich – aber einer, der sich lohnt. Und wenn Du einmal angefangen hast, so zu arbeiten, wirst Du merken, dass Du viel präzisere und besser sitzende Kleidungsstücke nähst.
Wie sind Deine Erfahrungen damit? Näht Du lieber mit oder ohne vorgegebene Nahtzugabe? Lass es mich in den Kommentaren wissen!